OLG Oldenburg, Urteil vom 06.03.2018 12 U 38/1716.04.2018

Zahlungsforderung für die Ausführung einer vergeblichen Bohrung anlässlich der Umverlegung einer Hochdruckgasleitung

Tenor

 

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 11.08.2017 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe

 

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten u.a. die Zahlung von 7.455,24 € netto für die Ausführung einer vergeblichen Bohrung anlässlich der Umverlegung einer Hochdruckgasleitung in N.

Diese Leitung sollte auf einer Länge von ca. 150 m unterhalb der Bundesstraße B 3 im Wege einer Horizontalbohrung verlegt werden. Die Beklagte war als Hauptunternehmerin beauftragt und vergab ihrerseits den Auftrag für die Horizontalbohrung an die Klägerin. Im Angebot der Klägerin vom 17.05.2013, welches die Beklagte mit Email vom 30.5.13 annahm, heißt es auf Seite 2:

„In unserer Leistung ist nicht enthalten: ... Ortung und Schutz von Fremdanlagen und Fremdleitungen im Bereich der Baustelle"

Vor Beginn der Bohrung hatte die Beklagte eine vorhandene LWL(Lichtwellenleiter)- Leitung (6 fach) der O. in der Nähe der Startgrube freigelegt. Hier trafen sich zunächst Mitarbeiter beider Parteien und erörterten die vorliegenden Unterlagen. Im Anschluss hieran wurde mit der Bohrung begonnen. Es trat bald ein Schaden an der LWL-Leitung auf. Beide Seiten gingen zunächst davon aus, dass dieser durch eine Straßenbaufirma, die in geringer Entfernung tätig war, verursacht worden sein müsse. Die Bohrung wurde fortgesetzt. Erst später stellte sich heraus, dass durch die Bohrung der Klägerin die LWL-Leitung beschädigt worden war. Hierauf wurde die Bohrung, die bis dahin eine Länge von 39 Metern erreicht hatte, eingestellt.

Die Parteien einigten sich darauf, von einem neuen, weiter entfernten Punkt eine neue und tiefere Bohrung zum selben Zielpunkt durchzuführen. Dies geschah. Die Klägerin rechnete über die neue Bohrung ab, die Beklagte machte Gegenrechte geltend. Diese in erster Instanz noch strittigen Punkte sind inzwischen rechtskräftig abgeschlossen. Nunmehr streiten die Parteien noch allein darum, ob die Klägerin ein Entgelt für die erste, fruchtlose Bohrung verlangen kann. Die Klägerin hat hierfür mit ihrer Klage die Bezahlung von 7.455,24 € (netto) verlangt, und zwar als von der Beklagten wegen der unzureichenden Ortung der Fremdleitung zu tragendes Entgelt.

Die Beklagte lehnt eine Vergütung dieser Arbeiten ab und hat die Ansicht vertreten, dass die Klägerin als versiertes Bohrunternehmen hätte wissen müssen, dass ältere LWL-Trassen noch mit sehr großer Ungenauigkeit dokumentiert worden seien. Sie hätte sich deshalb vor Beginn der Arbeiten über den Verlauf der LWL-Leitung vergewissern und hierzu auch die Bohrprotokolle der LWL-Trasse anfordern müssen.

Mit Urteil vom 11.08.2017 hat das Landgericht Osnabrück der Klägerin u.a. den jetzt noch strittigen Betrag von 7.455,24 € netto (EP 19,61 €/m x 39m) für die erste Bohrung zugesprochen. Dies greift die Beklagte mit ihrer Berufung an. Sie rügt, dass diese Leistung für sie nutzlos gewesen sei, da der geschuldete Erfolg im Zusammenhang mit dieser Leistung nicht eingetreten sei. Bei Einweisung habe der Klägerin der als Anlage B 3 zur Akte gereichte Bestandsplan vorgelegen. Aus diesem sei zu ersehen, dass die LWL-Trasse im betreffenden Bohrbereich verlegt war. Dies hätte die Klägerin veranlassen müssen, weitere Suchschachtungen durchzuführen bzw. anzufordern. Die Beklagte habe dagegen alles von ihr zu Verlangende getan, indem sie die Klägerin ordnungsgemäß eingewiesen und ihr die ihr selber vorliegenden Unterlagen zur Verfügung gestellt habe.

Die Beklagte beantragt,

sie unter Abänderung des Urteils Landgerichts Osnabrück vom 11.8.2017 zu verurteilen, an die Klägerin 39.305,66 € nebst Zinsen in Höhe von 8%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.2.2014 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und verweist darauf, dass die vor Ort anwesenden Mitarbeiter beider Seiten angenommen hätten, dass sich die LWL-Leitung von der vorgesehenen Bohrrichtung entfernen würde. Der als Anlage B 3 vorgelegte Bestandsplan habe - entgegen den Feststellungen im Urteil des Landgerichts - vor Beginn der Arbeiten nicht vorgelegen. Die Klägerin habe mit der abgebrochenen Bohrung die Leistung ordnungsgemäß erbracht. Die Nichterreichung des Erfolgs sei allein von der Beklagten zu vertreten.

Der Senat hat Beweis erhoben durch erneute Vernehmung der Zeugen K. und Q.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung der vom Landgericht zuerkannten Vergütung für die vergeblichen Arbeiten der ersten Bohrung in Höhe von 7.455,24 € netto beanspruchen.

Zwar folgt dieser Anspruch nicht aus § 632 BGB, da der geschuldete Werkerfolg für die Bohrung vom ersten Startpunkt aus nicht erreicht wurde und die Durchführung der Bohrung von diesem Startpunkt aus bereits vor Abnahme der Leistung unmöglich wurde. Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch aus § 645 Abs. 2 i.V.m. § 326 Abs. 2 BGB. Die Vorschriften des BGB sind uneingeschränkt anwendbar. Es ist streitig, ob die VOB/B anwendbar sind. Nach den schriftlichen Vertragsunterlagen, nämlich dem Angebot der Klägerin und der Annahme-Email der Beklagten, ergeben sich hierfür jedoch keine Anhaltspunkte. Die Beklagte behauptet zwar, dass diese mündlich vereinbart worden seien, hat hierfür aber keinen Beweis angeboten. Es ist deshalb von einem reinen BGB-Vertrag auszugehen.

Die Voraussetzungen des § 645 Abs. 2 BGB i.V.m. § 326 Abs. 2 BGB liegen vor. Das Werk wurde unausführbar, weil unzutreffende Informationen über den Leitungsverlauf der LWL-Leitung Vorlagen, was einer unzutreffenden Anweisung gleichzustellen ist. Im Vertrag ist ausdrücklich geregelt, dass die Klägerin für die Beschaffung der Pläne und Aufklärung des Verlaufs der Fremdleitungen nicht zuständig war. Anders als das Landgericht sieht der Senat in dieser Vereinbarung nicht lediglich einen Haftungsausschluss zugunsten der Klägerin. Vielmehr folgt daraus im Umkehrschluss, dass es nach dem Willen der Vertragsparteien ausschließlich im Verantwortungsbereich der Beklagten liegen sollte, den Verlauf der Fremdleitungen zutreffend aufzuklären.

Diese Pflicht hat sie vorliegend objektiv nicht erfüllt. Dies ist bereits nach ihrem eigenen Vortrag nicht der Fall. Selbst wenn der als Anlage B 3 vorgelegte Bestandsplan vor Beginn der Bohrung vorgelegen hätte, führte dieser nicht zu einer zutreffenden Information über den Verlauf der LWL-Leitung. Der Senat ist aufgrund der Aussagen der Zeugen K, und Q. davon überzeugt, dass die Startgrube bewusst links von der zuvor freigelegten LWL-Leitung gelegt wurde. Beide lagen in geringer Entfernung voneinander nördlich der … Allee. Die neue Bohrung sollte unstreitig völlig geradlinig unter der zu querenden Straßenkreuzung hinweg in den … Weg verlaufen. Nach dem Plan B 3 wäre die LWL-Leitung zu dieser Bohrung ein kurzes Stück parallel verlaufen und hätte sodann etwas nach rechts abschwenken müssen. Schon nach dem Plan B3 wäre daher eine Beschädigung der LWL-Leitung ausgeschlossen gewesen. Auch nach dem Plan, weicher nach dem Vortrag der Klägerin vorgelegen haben soll, sei eine Kreuzungsgefahr nicht erkennbar gewesen. Aus dem Umstand, dass die LWL- Leitung beschädigt wurde, folgt deshalb, dass sowohl der Plan B 3 als auch der laut Klägerin angeblich vorliegende Plan den tatsächlichen Leitungsverlauf nicht zutreffend darstellten.

Die Beklagte hat diese Pflichtverletzung auch zu vertreten. Gemäß § 280 Abs. 2 S. 1 BGB muss sie beweisen, dass sie die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Das ist ihr vorliegend nicht gelungen. Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass sie keine zutreffenden Angaben über den Leitungsverlauf hätte machen können. Es ist bereits nicht bewiesen, dass der Plan B 3 der Klägerin vorgelegt worden war. Dieser Umstand ist streitig. Die Zeugenaussagen haben kein klares Bild ergeben. Im Ergebnis lässt sich bereits der Aussage des Zeugen Q. nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass der Plan B 3 vorgelegen hat. Der Zeuge Q., der für die Beklagte die Baustelleneinweisung vorgenommen hatte, meinte zwar, dazu sei der Plan B 3 verwendet worden. Zugleich erinnerte er sich aber daran, dass der Verlauf der LWL-Leitung für den gesamten Bereich der geplanten Bohrung dokumentiert gewesen sei. Dies veranlasste ihn anzunehmen, es habe wohl ein zweiteiliger Plan vorgelegen. Tatsächlich deckt der Plan B 3 nicht den gesamten Bereich der Bohrung ab. Er ist auch nicht zweiteilig. Der Zeuge K. hat zudem ausgesagt, dass nicht der Plan B 3 vorgelegen habe. ln dem vor Beginn der Bohrung zusammen mit Herrn Q. gesichteten Plan sei vielmehr - anders als in B 3 - ein bogenförmiger Verlauf der LWL-Leitung eingezeichnet gewesen, und zwar nach rechts vom Startpunkt der neuen Bohrung wegführend. Der Senat kann bei einer Gesamtwürdigung dieser Aussagen nicht die Überzeugung gewinnen, dass es sich bei dem vor Bohrbeginn von beiden Parteien verwendeten Plan um den als Anlage B 3 vorgelegten Plan handelt.

Sicher ist nach den Zeugenaussagen nur, dass ein Plan vorlag, nach dessen Inhalt aber eine Kollision der Leitungen ausgeschlossen schien. Dieser Plan war unstreitig tatsächlich unzutreffend.

Warum keine zutreffenden Pläne vorgelegt werden konnten, ist nicht aufgeklärt. Es mag sein, dass die Beklagte keine anderen Unterlagen von ihrem Auftraggeber erhalten hatte, so dass es weder für den Zeugen Q. noch für den Zeugen K. erkennbar war, dass der Verlauf der LWL-Leitung nicht ausreichend aufgeklärt war. Die Ursache wäre dann letztlich beim Bauherrn E. AG, bzw. bei der von diesem beauftragten Firma A. mbH zu suchen. Letztere hatte die Bohrplanung vorgenommen. Hierzu wären auch die Lagen der Fremdleitungen festzustellen gewesen. Im Rahmen dieser Bauvorbereitung hätte entweder der Leitungsverlauf zutreffend aufgeklärt oder aber ein Warnhinweis dahingehend, dass sichere Unterlagen nicht vorlägen, erteilt werden müssen. Auch hätte deutlich angegeben werden müssen, in welcher Form die LWL- Leitung im Bereich der neuen Bohrung verlegt worden war, und die - offenbar vorhandenen, aber bei Baustart der Beklagten nicht übergebenen - Bohrprotokolle für die LWL-Leitung übergeben werden müssen. Bereits deren Vorlage hätte den Schaden verhindert, weil dadurch klar geworden wäre, dass die LWL-Leitung ebenfalls gebohrt war, was unstreitig dazu geführt hätte, dass die Klägerin den Verlauf durch weitere Suchschachtungen hätte aufklären lassen. Die Versäumnisse der A. AG und der von dieser beauftragten Firma A. mbH muss sich die Beklagte jedoch im Verhältnis zur Klägerin gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.

Ein Mitverschulden der Klägerin ist nicht bewiesen. Diese war zwar gehalten, sich anhand der von der Beklagten gestellten Unterlagen zu vergewissern, dass sie mit ihrer Bohrung vorhandene Fremdleitungen nicht beschädigen würde. Eine Verletzung dieser Pflicht ist jedoch nicht bewiesen, vielmehr hat die Beweisaufnahme vor dem Senat die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils bestätigt. Die Klägerin hatte eine Suchgrabung bezüglich der LWL-Leitung veranlasst. Die Zeugen Q. und K. haben übereinstimmend ausgesagt, nach Freilegung der LWL-Leitung sei klar gewesen, dass diese sich von der geradlinigen neuen Bohrung entfernen würde. Startgrube und freigelegte LWL-Leitung befanden sich in geringem Abstand voneinander, wie auf den im Termin betrachteten Fotos ebenso wie auf den in der Akte befindlichen zu erkennen ist. Die Zeugen haben weiter übereinstimmend angegeben, dass auf der anderen Seite der …Allee (also im … Weg) der Endpunkt der Bohrung einen Abstand von mehreren Metern (Breite der gesamten Straße von etwa 5 bis 6 Metern) zum dortigen Verlauf der LWL-Leitung haben sollte. Der Zeuge Q. hat dies gut nachvollziehbar damit erklärt, dass die LWL-Leitung in einem Schacht auf der anderen Seite der … Allee gefunden und damit dort genau geortet worden war. Bei geradlinigem Verlauf der LWL-Leitung vom Punkt neben der Startgrube hin zum Schacht auf der anderen Seite wäre keine Kreuzung möglich gewesen. Auch der Zeuge K. erinnerte sich klar daran, dass die LWL-Leitung auf der einen Seite der Straße (gemeint: … Weg) und die Bohrung auf der anderen Seite herauskommen würde. Der Zeuge K. hat darüber hinaus erklärt, dass ihm vom Zeugen Q. die Information gegeben worden sei, dass die LWL-Leitung im Bereich der neuen Bohrung in einem Graben verlegt worden sei. Sie hätte deshalb nirgends tiefer als 1,20 m verlaufen dürfen. Der einzig mögliche Kreuzungsbereich der beiden Leitungen sei deshalb mit der Freilegung der LWL- Leitung neben der Startgrube offengelegt gewesen. Die neue Bohrung hätte sich danach sowohl horizontal als auch vertikal von der LWL-Leitung entfernen müssen. Eine zweite Suchschachtung sei deshalb aus damaliger Sicht nicht nötig gewesen.

Danach ist nicht bewiesen, dass der Klägerin erkennen musste, dass eine Beschädigungsgefahr bestand. Vielmehr ist der Senat aufgrund der insoweit übereinstimmenden Aussagen beider Zeugen davon überzeugt, dass vor Bohrbeginn nicht nur die LWL-Leitung neben der Startgrube durch Aufgraben geortet worden war, sondern dass auch der Lageort der LWL-Leitung im Zielbereich im … Weg tatsächlich im Schacht gefunden worden war, beides offenbar den vorhandenen Plänen entsprechend. Die Leitungsführung zwischen den beiden Punkten war von beiden Zeugen in den Plänen begutachtet worden. Sie verlief so, dass beide davon überzeugt waren, dass keine Kreuzungsgefahr bestand. Die Klägerin musste deshalb nicht mit einem anderen Verlauf rechnen. Es ist auch nicht bewiesen, dass die Klägerin bzw. der Zeuge K. erkennen mussten, dass die Angabe „LWL im Graben verlegt“ falsch war. Dies könnte sich nach Vortrag der Beklagten nur aus dem Vorliegen des Plans B 3 ergeben. Wie ausgeführt, ist jedoch nicht bewiesen, dass dieser vorgelegen hatte.

Die Klägerin kann damit von der Beklagten Ersatz des durch die unzutreffende Information verursachten Schadens verlangen. Dabei hat sie sich darauf beschränkt, das Entgelt für die erbrachte Teilleistung (gem. § 645 Abs. 1 BGB) zu verlangen. Dies ist zulässig (Peters/Jacoby in Staudinger, BGB (2014) § 645, Rn. 22).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 543 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.