OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.09.2017 6 UF 30/1716.04.2018

Ehegattenerbrecht: Ausschluss bei Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Teil-Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Nettetal vom 12.01.2017 – Az. 7 F 319/16 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

 
Gründe

I.
Der Antragsgegner ist der alleinige Erbe des am 19.11.2015 verstorbenen A…, mit welchem die Antragstellerin bis zu dessen Tod am 19.11.2015 verheiratet war. Die Eheleute, die im gesetzlichen Güterstand lebten, hatten am 13.10.2000 geheiratet und lebten seit Juli 2007 getrennt. Mit bei Gericht am 03.09.2008 eingegangenen und dem Erblasser am 15.10.2008 zugestellten Schriftsatz vom 29.08.2008 hatte die Antragstellerin die Scheidung der Ehe beantragt. Der Erblasser seinerseits hatte mit Schriftsatz vom 22.09.2008, eingegangen bei Gericht am gleichen Tage und der Antragstellerin zugestellt am 17.10.2008, ebenfalls die Scheidung der Ehe beantragt. Des Weiteren machte die Antragstellerin im Mai des Jahres 2009 die Folgesache nachehelicher Unterhalt geltend. Seit dem Jahre 2010 wurden das Scheidungsverfahren sowie die Folgesache nachehelicher Unterhalt nicht mehr betrieben, nachdem die Beteiligten des Scheidungsverfahrens das Scheidungsverfahren übereinstimmend ruhend gestellt hatten.

 
Gegenstand des nunmehrigen, seit Juli 2016 anhängigen Verfahrens ist das Begehren der Antragstellerin auf Auskunfts- und Belegerteilung hinsichtlich des Anfangsvermögens zum Stichtag 13.10.2000 und hinsichtlich des Endvermögens zum Stichtag 15.10.2008 sowie im Wege der zweiten Stufe Zahlung eines noch zu beziffernden Zugewinnausgleichs.

 
Insoweit beruft sich die Antragstellerin darauf, aufgrund des rechtshängigen Scheidungsverfahren gemäß § 1933 BGB vom Ehegattenerbrecht ausgeschlossen zu sein. Der Antragsgegner seinerseits hält die Vorschrift des § 1933 BGB im Hinblick auf das langjährige Ruhen des Scheidungsverfahrens nicht für anwendbar. Zudem verweist er darauf, ihr sämtliche zum Nachlass des Verstorbenen gehörenden Unterlagen zur Einsichtnahme angeboten zu haben.

 
Das Amtsgericht hat dem Begehren der Antragstellerin antragsgemäß entsprochen und zur Begründung ausgeführt, das Ruhen des Ehescheidungsverfahrens seit April 2010 beseitige die einmal eingetretenen Wirkungen des § 1933 BGB nicht, insbesondere sei auch nicht von einer konkludenten Rücknahme der Scheidungsanträge auszugehen. Eine Zeitspanne von fünf bis sechs Jahren erlaube keinen sicheren Rückschluss darauf, die Scheidungsanträge sollten nicht mehr verfolgt und als zurückgenommen betrachtet werden.

 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten sowie des Inhalts der Entscheidungsgründe wird auf den Teil-Beschluss des Amtsgerichts vom 12.01.2017 Bezug genommen.

 
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, mit der er geltend macht, das Amtsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Ehegattenerbrecht der Antragstellerin im Zeitpunkt des Todes des Erblassers gemäß § 1933 BGB ausgeschlossen gewesen sei. Insoweit habe das Amtsgericht außer Betracht gelassen, dass das Ehescheidungsverfahren zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers schon sieben Jahre geruht habe. Soweit das Amtsgericht der Erklärung der Antragstellerin gefolgt sei, das Nichtbetreiben des Scheidungsverfahrens habe auf außergerichtlichen Bemühungen auf Regelungen der Scheidungsfolgen beruht, seien gerichtliche oder außergerichtliche Erklärungen der damaligen Parteien des Ehescheidungsverfahrens, die darauf schließen ließen, dass die Eheleute das Scheidungsverfahren weiterhin betreiben wollten, von der Antragstellerin selbst nicht vorgetragen worden. Selbst nach Beendigung des Zivilverfahrens, in welchem unter anderem die Eigentumsverhältnisse an den streitgegenständlichen Pferden geklärt worden seien, sei eine Aufnahme des Ehescheidungsverfahrens nicht zeitnah erfolgt.

 
Unabhängig davon habe die Antragstellerin Gelegenheit gehabt, die notwendigen Auskünfte selbst einzuholen. Sämtliche Geschäftsunterlagen seien ihr auf ihr Bitten sozusagen körbeweise zur Verfügung gestellt worden und sie verfüge zudem sicherlich über bessere Kenntnisse über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erblassers als er selbst.

 
Der Antragsgegner beantragt,

 
unter Abänderung des am 12.01.2017 verkündeten Teil-Beschlusses des Amtsgerichts Nettetal, Familiengericht, Az. 7 F 319/16, den Antrag der Antragstellerin aus der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2016, ihn auf der ersten Stufe des Stufenverfahrens zur Auskunft zu verpflichten, zurückzuweisen.

 
Die Antragstellerin beantragt,

 
die Beschwerde zurückzuweisen.

 
Sie ist der Ansicht, die Beschwerde sei mangels Erreichens des Beschwerdewertes nicht zulässig. Da der Antragsgegner allein zur Auskunftserteilung verpflichtet worden sei, sei maßgeblich der Aufwand an Zeit und Kosten, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordere. Der Antragsgegner sei bereits aufgrund seiner Stellung als Erbe aus Gründen der korrekten Buchführung und ordnungsgemäßen Versteuerung gehalten, die Buchhaltung des Erblassers instandzusetzen und zu aktualisieren. Zudem sei der Antragsgegner für die Erteilung der Auskunft nicht auf einen Steuerberater angewiesen. Es reiche, die wertbildenden Faktoren von Grund und Boden, Pferdebestand sowie die Kontosalden mitzuteilen.

Jedenfalls aber sei die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung unbegründet. Die Voraussetzungen des § 1933 BGB lägen durch die Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens vor.

 
Die Akten 27 F 81/09 AG Nettetal lagen vor und sind Gegenstand der Entscheidung.

 

II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist statthaft und zulässig gemäß §§ 58 ff. FamFG, insbesondere ist der Beschwerdewert gemäß § 61 Abs. 1 FamFG erreicht.

 
Nach dem ergänzenden Vorbringen des Antragsgegners ist davon auszugehen, dass die Erteilung der begehrten Auskünfte zu den maßgeblichen Stichtagen einen Kostenaufwand von 5000 € erfordert. Insoweit hat der Antragsgegner vorgetragen, bei dem Erblasser weder eine nachvollziehbare Buchführung noch Steuererklärungen vorgefunden zu haben, so dass er gezwungen gewesen sei, die körbeweise vorgefundene Buchhaltung durch einen Steuerberater sichten zu lassen. Insoweit sei ein Kostenaufwand von2.500 € pro Jahr kalkuliert worden. In diesem Zusammenhang kann sich die Antragstellerin insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, der Antragsgegner sei bereits als Erbe gehalten, die Buchhaltung seines Rechtsvorgängers instandzusetzen und zu aktualisieren. Denn die maßgeblichem Stichtage für das Anfangs- und Endvermögen weichen von dem für das Finanzamt maßgeblichen Stichtag, nämlich dem Todestag des Erblassers, ab.

 
In der Sache ist die Beschwerde indessen nicht begründet. Vielmehr folgt der Senat den in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts uneingeschränkt und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtsfehlerfreien Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug.

 
Auch das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners rechtfertigt eine abweichende Entscheidung nicht.

 
§ 1933 Abs. 1 S. 1 BGB schließt das gesetzliche Ehegattenerbrecht aus, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Die Gleichstellung mit den Rechtsfolgen einer rechtskräftigen Auflösung der Ehe beruht auf der Überlegung, dass die Beteiligung des überlebenden Ehegatten am Nachlass nach Rechtshängigkeit eines auf Beendigung der Ehe gerichteten gerichtlichen Verfahrens nicht mehr von dem Zufall abhängen soll, ob der Erblasser die Rechtskraft einer eheauflösenden Entscheidung noch erlebt (Soergel/Stein, BGB, 12. Aufl., § 1933 Randnr. 3). Es entspricht deshalb dem mutmaßlichen Willen des Erblassers, den Ausschluss des gesetzlichen Erbrechts des Ehegatten schon an die auf Ehescheidung gerichtete Prozesshandlung des Erblassers zu knüpfen (BGH FamRZ 1990, 1109).

 
Es ist insbesondere rechtlich unbeachtlich, ob die Parteien des Scheidungsverfahrens dieses in der Zeit nach Einreichung des Scheidungsantrages weiterhin betreiben. Denn maßgeblich ist grundsätzlich nach § 1933 BGB allein, dass die Voraussetzungen der Scheidung vorlagen, wovon aufgrund der bereits im Jahre 2007 erfolgten Trennung auszugehen ist. Selbst wenn man davon ausginge, dass das Nichtbetreiben des Verfahrens durch den Erblasser über einen längeren Zeitraum einer Antragsrücknahme bzw. einem Widerruf seiner Zustimmung gleichzustellen ist (so OLG Düsseldorf FamRZ 1991, 1107 (26 Jahre); OLG Saarbrücken FamRZ 2011,760 (21 Jahre)), so genügt jedoch der hier in Rede stehende Zeitraum von etwas mehr als sechs Jahren, ausgehend von der Anhängigkeit der Folgesache nachehelicher Unterhalt bis zum Tod des Erblassers, diesen Anforderungen nicht. Denn diese Zeitspanne ist nicht ausreichend lang, um hieraus einen konkludenten Willen des Erblassers auf Aufrechterhaltung der Ehe herzuleiten. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Eheleute unstreitig noch im Jahre 2012 ein gerichtliches Verfahren betreffend gemeinsame Vermögenswerte geführt und dadurch zu erkennen gegeben haben, dass sie (auch) die vermögensrechtlichen Wirkungen der Ehe beseitigen bzw. ausgleichen wollen.

 
Ebenso zutreffend hat das Amtsgericht hinsichtlich des Endstichtages das Datum der Zustellung des Scheidungsantrages der Antragstellerin zugrundegelegt, obwohl § 1933 BGB abstellt auf den Scheidungsantrag des Erblassers und Ehegatten. Denn ausreichend ist nach dem Wortlaut der Vorschrift gleichermaßen die Zustimmung des Ehegatten zur Scheidung, die indessen erst bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages des anderen Ehegatten rechtliche Relevanz entfaltet. Wird daher die Zustimmung des Erblassers - wie im vorliegenden Fall - bereits vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages des anderen Ehegatten erklärt, gilt dessen Zustimmung mit Zustellung des Scheidungsantrages des anderen Ehegatten als erteilt (Leipold in: Münchener Kommentar, 17. Aufl., § 1933, Randnr. 9 m.w.N.).

 
Schließlich kann sich der Antragsgegner auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Antragstellerin verfüge infolge der Tatsache, dass er ihr körbeweise Unterlagen und Belege zur Verfügung gestellt habe, bereits über die ausreichenden Informationen, um ihren Zugewinnausgleichsanspruch zu berechnen. Denn der Antragsgegner schuldet zunächst gemäß § 1379 BGB Auskunft und nicht allein die Vorlage von Belegen.

 

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

 
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht gemäß den vorstehenden Ausführungen auf dem für die Auskunftserteilung erforderlichen Kostenaufwand.