OLG Hamm, Beschluss vom 25. Juli 2017 – II-6 WF 179/1716.11.2017

Leitsatz

Die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den umgangsunwilligen Elternteil scheitert in der Regel daran, dass der so erzwungene Umgang regelmäßig nicht dem Kindeswohl dient und deshalb der mit der Festsetzung bewirkte Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des umgangsunwilligen Elternteils nicht gerechtfertigt ist.

Tenor

 

    Auf die sofortige Beschwerde des Kindesvaters vom 11.05.2017 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Essen vom 04.05.2017 (106 F 103/16) in Ziffer 2 (Ordnungsgeld) und Ziffer 4 (Kostenentscheidung) aufgehoben.

 

    Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

 

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200,00 € festgesetzt.

 

Gründe

 

    I.

 

1

    Die Kindeseltern schlossen im Juli 2013 vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Essen eine Umgangsvereinbarung für ihren am ##.##.2013 geborenen Sohn N, wonach der Kindesvater den Umgang mit seinem Sohn wöchentlich mittwochsnachmittags sowie zusätzlich an einzelnen Wochenendtagen ausüben sollte. Eine nicht unterschriebene Eingabe des Kindesvaters nahm das Amtsgericht im April 2016 zum Anlass, von Amts wegen ein neues Umgangsverfahren einzuleiten. Dies führte - unter Beteiligung des bestellten Verfahrensbeistandes - zu einer im Termin vom 18.01.2017 geschlossenen Umgangsvereinbarung, wonach der Kindesvater ab dem 21.01.2017 zunächst 14-täglich samstags und ab dem 14.04.2017 14-täglich samstags und sonntags mit Übernachtung Umgang mit N ausüben sollte. Weil der Kindesvater am Morgen des 20.01.2017 den für den Folgetag vereinbarten Umgang ohne Angabe von Gründen absagte, beantragte die Kindesmutter die Festsetzung eines angemessenen Ordnungsgeldes. Durch am 25.01.2017 erlassenen Beschluss billigte das Amtsgericht die Umgangsvereinbarung vom 18.01.2017 und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung den Beteiligten Ordnungsgeld bis zu 25.000,00 EUR oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten an. Dem Antrag der Kindesmutter auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes entsprach das Amtsgericht mangels vorheriger Androhung von Ordnungsmitteln nicht. Mit Schreiben vom 03.02.2017 teilte der Kindesvater dem Amtsgericht mit, dass er die Umgangskontakte zu N "schweren Herzens" eingestellt habe, weil wegen der problematischen Situation der Kindeseltern "entspannte Umgangskontakte keine Perspektive haben".

 

2

    Weil der Kindesvater die vereinbarten Umgangstermine am 04.02.2017 und am 18.02.2017 einerseits sowie den Termin vom 08.03.2017 andererseits nicht wahrnahm, setzte das Amtsgericht durch die am 27.03.2017 und am 26.04.2017 erlassenen Beschlüsse ein Ordnungsgeld in Höhe von jeweils 200,00 EUR, ersatzweise für jeweils 100,00 EUR ein Tag Ordnungshaft, festgesetzt. Die dagegen gerichteten sofortigen Beschwerden sind vor dem Senat Gegenstand der Verfahren 6 WF 147/17 und 6 WF 172/17. Durch den am 04.05.2017 im Verfahren 6 WF 172/17 erlassenen Nichtabhilfebeschluss hat das Amtsgericht ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von 200,00 EUR, ersatzweise für jeweils 100,00 EUR ein Tag Ordnungshaft, festgesetzt, weil der Kindesvater den für den 08.04.2017 vereinbarten Umgang nicht wahrgenommen hat. Dieser sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht im hiesigen Verfahren durch den am 11.05.2017 erlassenen Beschluss nicht abgeholfen und das Verfahren dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

 

    II.

 

3

    Die gemäß §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Kindesvaters ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, weil das Amtsgericht ermessensfehlerhaft nach § 89 Abs. 1 FamFG ein Ordnungsgeld wegen der Nichtausübung des Umgangs angeordnet hat.

 

4

    Nach dieser Vorschrift kann das Gericht bei der Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs gegenüber dem Verpflichteten die dort näher bezeichneten Ordnungsmittel anordnen. Diese Ausgestaltung von § 89 Abs. 1 FamFG als "Kann-Vorschrift" als Ersatz für die frühere "Soll-Vorschrift" in § 33 FGG trägt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 01.04.2008, 1 BvR 1620/04, FamRZ 2008, 845 ff.) Rechnung, nach der die Umgangspflicht eines Elternteils gegen dessen Willen nur ausnahmsweise dann vollstreckt werden kann, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der erzwungene Umgang dem Kindeswohl dient (BT-Drucksache 16/9733, S. 291; BGH, Beschluss vom 17.08.2011, XII ZB 621/10, FamRZ 2011, 1729 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.09.2013, 5 WF 171/13, FamRZ 2014, 403 f.). Soweit § 1684 Abs. 1 BGB nicht nur ein Umgangsrecht, sondern auch die Pflicht eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind als Konkretisierung der den Eltern grundrechtlich zugewiesenen Verantwortung für ihr Kind statuiert, begegnet dies keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist einem Elternteil zumutbar, zum Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden, wenn dies dem Kindeswohl dient. Eine zwangsweise Durchsetzung der Umgangspflicht gegen den erklärten Willen eines Elternteils ist jedoch regelmäßig nicht geeignet, den Zweck zu erreichen, der mit ihr verfolgt wird, nämlich dem Kind einen Umgang mit seinem Elternteil zu ermöglichen, der zu einer gedeihlichen Persönlichkeitsentwicklung des Kindes beiträgt. Denn bei einem erzwungenen Umgang, der dem Willen und auch den Gefühlen eines Elternteils widerstrebt, wird das Kind anstelle der angestrebten Zuwendung die Ablehnung gerade von seinem Elternteil spüren (BVerfG, a.a.O.).

 

5

    Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen im Streitfall die Voraussetzungen für eine Vollstreckung der Umgangspflicht gegen den Willen des Kindesvaters nicht vor. Das Amtsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Der Senat sieht aber auch keine Anhaltspunkte, dass hier ausnahmsweise eine Erzwingung des Umgangs gegen den erklärten Willen des Kindesvaters dem Wohl von N dient. Zwar bestand zwischen dem Kindesvater und seinem Sohn jedenfalls bis zum Abbruch der Kontakte unmittelbar nach Abschluss der Umgangsvereinbarung im Januar 2017 eine persönliche Beziehung. N hat die Treffen mit seinem Vater - wenn sie denn stattfanden - auch positiv erlebt. Zu berücksichtigen ist aber, dass diese Kontakte stattfanden, als der Kindesvater noch selbst aktiv sein Umgangsrecht einforderte, obwohl es - zumindest aus seiner Sicht - einigen Widerstand der Kindesmutter zu überwinden galt und die jeweiligen Übergabesituationen wegen des zerrütteten Verhältnisses der Kindeseltern untereinander von diesen als sehr belastend empfunden wurden. Im Laufe des Umgangsverfahrens verstärkte sich jedoch die Ablehnung der Kindesmutter durch den Kindesvater, so dass dieser nach dem Eindrucksvermerk des Abteilungsrichters vom 19.01.2017 selbst bei Abschluss der gerichtlichen Umgangsvereinbarung eine Einstellung der Umgangskontakte ankündigte. Würde jetzt der Kindesvater mit Ordnungsmitteln bis hin zu der vom Amtsgericht inzwischen in Aussicht gestellten Ordnungshaft zu einer Wiederaufnahme des Umgangs gezwungen, würde N aller Voraussicht nach den Widerstand des Kindesvaters zumindest in der Übergabesituation deutlich spüren. Hinzu kommt, dass derzeit keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass N die Treffen mit seinem Vater vermisst, zumal sich inzwischen auch die Kindesmutter eindeutig gegen eine zwangsweise Durchsetzung des Umgangs mit Rücksicht auf die Verunsicherung von N durch die mitunter kurzfristigen Absagen des Kindesvaters ausgesprochen hat.

 

6

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 81 Abs. 1 FamFG.