Arbeitsrecht
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Juni 2017 - 6 AZR 720/15 18.08.2017

BAG - Fristlose Kündigung einer Geschäftsführerin wegen illoyalen Verhaltens

 Betreibt die Geschäftsführerin eines Vereins auf intrigante Weise zielgerichtet die Abwahl des Vereinsvorsitzenden, kann dies die außerordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Durch ein solch illoyales Verhalten wird die für eine weitere Zusammenarbeit erforderliche Vertrauensbasis zerstört und der Betriebsfriede erheblich gestört.

 Die Klägerin war als Geschäftsführerin bei dem beklagten Verein beschäftigt. Dieser bildet den Dachverband für seine örtlichen Mitgliedsverbände. Nach Differenzen mit dem sog. Präsidenten des Vereins rief die Klägerin die Vereinsmitglieder dazu auf, die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung mit dem Ziel der Abwahl der Vereinsspitze zu fordern. Der als Präsidium bezeichnete Vorstand des Vereins beschloss daraufhin die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung der Klägerin. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie wendet ua. ein, der Präsidiumsbeschluss sei unwirksam, weil das Präsidium wegen des vorherigen Rücktritts eines Mitglieds nicht vollständig besetzt gewesen sei.

 Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Kündigung liegt zwar ungeachtet des vorherigen Rücktritts eines Vizepräsidenten ein nach der Vereinssatzung wirksamer Beschluss des Präsidiums zugrunde. Wegen des illoyalen Verhaltens der Klägerin liegt auch ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses vor. Der Senat konnte aber nicht abschließend beurteilen, ob die fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung von den maßgebenden Tatsachen erklärt wurde. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob entsprechend dem Vortrag des Beklagten eine Anhörung der Klägerin den Fristbeginn gehemmt hat. Dies würde voraussetzen, dass der Klägerin bezogen auf den kündigungsrelevanten Sachverhalt Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde. Ob dies der Fall war, ist zwischen den Parteien streitig geblieben.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Juni 2017 - 6 AZR 720/15

Beschluss des BAG vom 14.06.2017, Az.: 10 AZR 330/1618.08.2017

14.06.2017 Arbeitsort & Versetzung

BAG: Versetzung - Verbindlichkeit einer unbilligen Weisung

Der Zehnte Senat möchte die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des § 106 GewO eine unbillige Weisung des Arbeitgebers auch dann nicht befolgen muss, wenn keine dementsprechende rechtskräftige Entscheidung der Gerichte für Arbeitssachen vorliegt. Damit weicht der Senat von der Rechtsprechung des Fünften Senats (BFH, 22.02.2012, Az.: 5 AZR 249/11) ab. Der Zehnte Senat fragt deshalb nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der Fünfte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält.

 Der Kläger ist seit dem Jahr 2001 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er war zuletzt als Immobilienkaufmann am Standort Dortmund eingesetzt. Zwischen den Parteien war im Jahre 2013/14 ein Kündigungsrechtsstreit anhängig, der zugunsten des Klägers ausging. Nachdem Mitarbeiter im März 2014 eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger abgelehnt hatten, teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 23.02.2015 mit, dass sie ihn für die Zeit vom 16.03. bis zum 30.09.2015 am Standort Berlin einsetzen werde; eine Beschäftigungsmöglichkeit in Dortmund außerhalb dieses Teams bestehe nicht. Nachdem der Kläger seine Arbeit am Standort Berlin nicht aufgenommen hatte, mahnte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 26.03.2015 ab. Im April erfolgte eine weitere Abmahnung. Mit Schreiben vom 28.05.2015 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Mit der vorliegenden Klage möchte der Kläger u.a. festgestellt wissen, dass er nicht verpflichtet war, der Weisung vom 23.02.2015 Folge zu leisten. Des Weiteren begehrt er die Entfernung der Abmahnungen aus seiner Personalakte. In einem weiteren Verfahren (- 2 AZR 329/16 -) wendet er sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

 Über die Revision der Beklagten kann noch nicht entschieden werden. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Bestimmungen des Arbeitsvertrags der Parteien ließen zwar grundsätzlich eine Änderung des Arbeitsortes des Klägers zu, die Versetzung von Dortmund nach Berlin habe aber nicht billigem Ermessen entsprochen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Fünfte Senat hat allerdings die Auffassung vertreten, dass sich ein Arbeitnehmer über eine unbillige Weisung, die nicht aus anderen Gründen unwirksam sei, nicht hinwegsetzen dürfe, solange keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliege, die deren Unwirksamkeit feststelle. Der Zehnte Senat möchte hingegen die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer einer unbilligen Weisung des Arbeitgebers nicht - auch nicht vorläufig - folgen muss und fragt deshalb nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG an, ob der Fünfte Senat an seiner Rechtsauffassung festhält.

Beschluss des BAG vom 14.06.2017, Az.: 10 AZR 330/16

EuGH, Urteil vom 06. April 2017 – C-336/15 06.06.2017

Tenor

Art. 3 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass der Erwerber unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens bei der Kündigung eines Arbeitnehmers, die mehr als ein Jahr nach dem Übergang des Unternehmens erfolgt, in die Berechnung der Beschäftigungszeiten des betreffenden Arbeitnehmers, die für die Bestimmung der ihm zustehenden Kündigungsfrist maßgeblich sind, die Beschäftigungszeiten einzubeziehen hat, die dieser Arbeitnehmer beim Veräußerer zurückgelegt hat.

EuGH, Urteil vom 06. April 2017 – C-336/15

BAG, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 7 AZR 49/1502.06.2017

Leitsatz

Eine Befristung, mit der die Laufzeit eines nach § 14 Abs. 2 TzBfG sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags verkürzt wird, bedarf eines sachlichen Grundes gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG.

BAG, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 7 AZR 49/15

 

BAG, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 7 AZR 49/15

BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 5 AZR 362/1606.04.2017

Leitsatz

Der Arbeitnehmer genügt der ihm obliegenden Darlegungslast für die Leistung von Überstunden, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat.

BAG, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 5 AZR 362/16

BAG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – 2 AZR 431/1506.04.2017

Leitsatz

Verweigern Beschäftigte die Arbeit, weil der Arbeitgeber einem - unberechtigten - Kündigungsverlangen nicht nachkommt, ist eine Kündigung des Betroffenen nicht als sog. "echte" Druckkündigung sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber den Druck und die dadurch drohenden wirtschaftlichen Nachteile nicht zumindest dadurch abzuwehren versucht, dass er die Beschäftigten auf die Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegung hinweist und für weitere Zuwiderhandlungen arbeitsrechtliche Maßnahmen in Aussicht stellt.

BAG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – 2 AZR 431/15

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 23. März 2017 - 6 AZR 705/15 06.04.2017

Pressemitteilung Nr. 17/17

Abgekürzte Kündigungsfrist in der Probezeit nur bei eindeutiger Vertragsgestaltung

Sieht der Arbeitsvertrag eine Probezeit von längstens sechs Monaten vor, kann das Arbeitsverhältnis gemäß § 622 Abs. 3 BGB ohne weitere Vereinbarung von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Ist jedoch in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag in einer weiteren Klausel eine längere Kündigungsfrist festgelegt, ohne unmissverständlich deutlich zu machen, dass diese längere Frist erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll, ist dies vom Arbeitnehmer regelmäßig dahin zu verstehen, dass der Arbeitgeber schon während der Probezeit nur mit der vereinbarten längeren Frist kündigen kann.

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 23. März 2017 - 6 AZR 705/15

Landesarbeitsgericht Saarland, Urteil vom 11. Januar 2017 – 2 Sa 6/1606.04.2017

Leitsatz

1. Für die erfolgreiche Durchsetzung eines Entschädigungsanspruchs wegen Altersdiskriminierung als Folge der Nichtberücksichtigung einer Bewerbung bei der Stellenvergabe ist die mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung zwar zunächst keine Voraussetzung für die Anspruchsentstehung; sie kann aber dazu führen, dass die Geltendmachung des Anspruches sich als treuwidrig erweist (vgl. schon BAG Urteil v. 11.08.2016 - 8 AZR 4/15 ).
2. Ist durch Erhebung angebotener Zeugenbeweise der Nachweis erbracht, dass ein Unternehmen bei seiner Einstellungspraxis für einen beschränkten Bereich (16 Beschäftigte eines örtlichen Service-Centers) auch Personen im Alter von über 50 Jahren in den letzten Jahren berücksichtigt hat, muss der aktuell abgelehnte Bewerber trotz der Beweiserleichterung aus § 22 AGG zumindest konkrete - gerichtlich dann auch überprüfbare - Fakten benennen, die als Indizien geeignet sind, um im Ansatz eine Altersdiskriminierung im konkreten Bewerbungsverfahren erkennbar werden zu lassen.

Landesarbeitsgericht Saarland, Urteil vom 11. Januar 2017 – 2 Sa 6/16

EuGH, URTEIL vom 14. März 2017 - Rs. C-157/15 „Achbita“06.04.2017

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Richtlinie 2000/78/EG – Gleichbehandlung – Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung – Unternehmensinterne Regelung, die den Arbeitnehmern verbietet, am Arbeitsplatz sichtbare politische, philosophische oder religiöse Zeichen zu tragen – Unmittelbare Diskriminierung – Fehlen – Mittelbare Diskriminierung – Verbot für eine Arbeitnehmerin, ein islamisches Kopftuch zu tragen"

EuGH, URTEIL vom 14. März 2017 - Rs. C-157/15 „Achbita"

LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 26 Sa 682/16 06.04.2017

Leitsatz

1. Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht (vgl. BAG 27. Juli 2016 - 7 AZR 545/14, Rn. 17). Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG ist von der regelmäßig gegebenen Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs eines Unternehmens oder einer Behörde zu unterscheiden (vgl. BAG 15. Oktober 2014 - 7 AZR 893/12, Rn. 15).
2. Liegt zum Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrages eine Planung vor, muss sich aus dieser der vorübergehende Bedarf konkret ergeben. Unsicherheiten über die weitere Entwicklung rechtfertigen eine Befristung in diesem Stadium nicht. Es genügt nicht, wenn die Planung sich noch in oder sogar vor der Entscheidungsphase befindet, dh. noch nicht bestätigt ist.

LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 26 Sa 682/16