Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 16.03.2017 verkündete Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree abgeändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, monatlichen Kindesunterhalt, den zukünftigen jeweils monatlich im Voraus bis zum Ersten eines jeden Monats, wie folgt zu zahlen:
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je 188 € für die Monate September bis Dezember 2016 an die Antragstellerin zu Händen der gesetzlichen Vertreterin,
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je 202 € für die Monate Januar bis Juni 2017 an die Antragstellerin zu Händen der gesetzlichen Vertreterin,
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je 300 €, davon je 32 € an die Antragstellerin zu Händen der gesetzlichen Vertreterin und je 268 € an das Land Brandenburg, vertreten durch die Unterhaltsvorschusskasse des Jugendamtes des Landkreises …,
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je 318 € für die Monate Januar bis März 2018, davon je 45 € an die Antragstellerin zu Händen der gesetzlichen Vertreterin und je 273 € an das Land Brandenburg, vertreten durch die Unterhaltsvorschusskasse des Jugendamtes des Landkreises …,
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je 88,9 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe nach § 1612 a BGB abzüglich hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit ab April 2018 an die Antragstellerin zu Händen der gesetzlichen Vertreterin.
Der weitergehende Antrag wird abgewiesen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Von den Verfahrenskosten erster Instanz hat die Antragstellerin 45 % zu tragen, der Antragsgegner 55 %. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin zu 21 % und dem Antragsgegner zu 79 % auferlegt.
Der Beschwerdewert wird auf 5.288 € festgesetzt. Davon entfallen 4.508 € auf die Beschwerde und 780 € auf die Anschlussbeschwerde.
Gründe
I.
Die am ….06.2004 geborene Antragstellerin nimmt ihren Vater, den Antragsgegner, auf Kindesunterhalt ab September 2016 in Anspruch.
Durch Beschluss vom 16.03.2017 hat das Amtsgericht den Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin Unterhalt von insgesamt 572 € für die Monate September bis Dezember 2016 sowie monatlich 42,47 % des Mindestunterhalts abzüglich Kindergeldes für ein erstes Kind ab Januar 2017 zu zahlen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf jenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde.
Sie macht geltend, dass sich der Antragsgegner wegen Verstoßes gegen die gesteigerte Erwerbsobliegenheit ein Erwerbseinkommen fiktiv zurechnen lassen müsse, das es ihm ermögliche, den Mindestunterhalt zu zahlen. Dabei sei ihm im Hinblick auf seine Eheschließung ein um 10 % geminderter notwendiger Selbstbehalt zuzugestehen. In eine Mangelverteilung sei neben ihr nur ein weiteres minderjähriges Kind einzubeziehen. Die weitere geltend gemachte Unterhaltsverpflichtung sei unbeachtlich, da sie vom Antragsgegner nicht erfüllt werde.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses zu verpflichten, an sie Unterhalt i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich Kindergeldes für ein erstes Kind ab September 2016 zu zahlen, davon allerdings monatlich 268 € für die Zeit von Juli bis Dezember 2017 und monatlich 273 € für die Zeit von Januar bis März 2018 an das Land Brandenburg, vertreten durch die Unterhaltsvorschusskasse des Jugendamtes des Landkreises ….
Der Antragsgegner beantragt, nachdem er seine Anschlussbeschwerde, gerichtet auf vollständige Antragsabweisung, im Senatstermin vom 08.03.2018 zurückgenommen hat,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor, er könne im Hinblick auf seinen beruflichen Werdegang und seine Erkrankung der Wirbelsäule das vom Amtsgericht fiktiv zugerechnete Einkommen nicht erzielen. Eine Herabsetzung des Selbstbehalts im Hinblick auf die Haushaltsersparnis mit seiner Partnerin scheide aus, da diese nicht leistungsfähig sei. Auch sein Kind J… sei in die Mangelverteilung miteinzubeziehen, da jederzeit damit gerechnet werden müsse, dass entsprechende Zahlungen eingefordert würden, gegebenenfalls auch rückwirkend.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat den Antragsgegner und die gesetzliche Vertreterin der Antragstellerin angehört. Insoweit wird auf die Anhörungsvermerke zum Senatstermin vom 08.03.2018 verwiesen.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist zum Teil begründet. Der Antragsgegner hat ihr Kindesunterhalt in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zu zahlen.
1.
Der Antragsgegner kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, aufgrund seiner tatsächlichen Einkommensverhältnisse nicht in der Lage zu sein, für seine minderjährige Tochter, die Antragstellerin, Kindesunterhalt zu zahlen. Ihm fällt ein Verstoß gegen die gesteigerte Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB zur Last. Insoweit wird Bezug genommen auf den Senatsbeschluss vom 22.01.2018, durch den der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu Durchführung der Anschlussbeschwerde zurückgewiesen worden ist. Auch danach hat der Antragsgegner, den für den Einwand fehlender Leistungsfähigkeit die Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. Senat, Beschluss vom 12.03.2015 - 10 WF 13/15, BeckRS 2015,17 1582), keine Umstände vorgetragen, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden. Vielmehr hat er sich mit Schriftsatz vom 22.02.2018 darauf beschränkt, die Auflagen zu erfüllen, die ihm durch die Ladungsverfügung des Senats vom 20.01.2018 erteilt worden sind.
2.
Bei der Bemessung des Einkommens, das dem Antragsgegner infolge Verstoßes gegen die gesteigerte Erwerbsobliegenheit fiktiv zuzurechnen ist, ist grundsätzlich von den Bruttostundenlöhnen auszugehen, die auch das Amtsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.
Allerdings weist die Antragstellerin mit der Beschwerde zutreffend darauf hin, dass es grundsätzlich die Aufgabe des darlegungs- und beweispflichtigen Antragsgegners ist, den Nachweis darüber zu erbringen, dass es ihm nicht möglich ist, ein höheres Einkommen zu erzielen. Andererseits ist zu beachten, dass dem Unterhaltspflichtigen auch bei Verstoß gegen die gesteigerte Erwerbsobliegenheit nur ein solches Einkommen fiktiv zugerechnet werden darf, das er realistischerweise erzielen kann (vgl. BVerfG, FamRZ 2008, 1145 Rn. 16). Vor diesem Hintergrund hat der Senat dem Antragsgegner mit der Ladungsverfügung vom 20.01.2018 aufgegeben, seine Ausbildung und seinen beruflichen Werdegang in tabellarischer Form darzulegen und zu belegen. Dem mit Schriftsatz vom 22.02.2018 vorgelegten Lebenslauf lässt sich entnehmen, dass der Antragsgegner im Jahr 1997 eine Ausbildung zum Glas- und Gebäudereiniger abgeschlossen hat und im Anschluss - von kurzzeitigen Unterbrechungen infolge Arbeitslosigkeit bzw. Krankheit abgesehen - durchgängig im Reinigungsgewerbe tätig war. Eine Tätigkeit als Glas- und Gebäudereiniger ist im Lebenslauf für die Zeit bis einschließlich Januar 1999, vor einer unfall- und krankheitsbedingten Unterbrechung der Tätigkeit, verzeichnet. In der Zeit ab Mai 1999 ist nur noch von Gebäudereinigung bzw. Tätigkeit als Reinigungskraft die Rede. Dies steht im Einklang mit den unwidersprochenen Angaben des Antragsgegners im Senatstermin vom 08.03.2018. Danach habe er Glas-und Fassadenreinigung zeitweise ausgeübt, doch komme das jetzt wegen der Höhe für ihn nicht mehr in Betracht, da er mal heruntergefallen sei und einen Arbeitsunfall erlitten habe. Nun sei er noch in der Unterhaltsreinigung mit Fegen und Wischen beschäftigt. Als Vorarbeiter und in der Ausbildung von Lehrlingen sei er nicht tätig.
Vor diesem Hintergrund scheidet die Zurechnung eines monatlichen Bruttoverdienstes von 2.689 €, wie von der Antragstellerin erstinstanzlich geltend gemacht, aus. Grundlage eines solchen Bruttoeinkommens wäre nach dem WSI-Tarifarchiv der Hans-Böckler-Stiftung (www.boeckler.de) eine Eingruppierung in die Tarifgruppe 8 des Gebäudereinigerhandwerks West, Berlin-West und -Ost. Die Tätigkeitsbeschreibung dort bezieht sich auf Gesellen mit Ausbildereignungsprüfung und Verantwortung für die Lehrlingsausbildung. Dass eine solche Tätigkeit für den Antragsgegner in Betracht käme, kann angesichts seiner Angaben im Senatstermin nicht angenommen werden. Zutreffend erscheint daher der Ansatz des Amtsgerichts, dem Antragsgegner fiktiv ein Einkommen zuzurechnen, das der Tarifgruppe 6 des Gebäudereinigerhandwerks West, Berlin-West und -Ost entspricht. Mithin ergibt sich ein Bruttostundenlohn von 12,98 € im Jahr 2016 und von 13,25 € im Jahr 2017, wie vom Amtsgericht unbeanstandet festgestellt. Nach dem WSI-Tarifarchiv sind es ab Januar 2018 brutto 13,55 € pro Stunde.
Wie schon im Senatsbeschluss vom 20.01.2018 näher ausgeführt, kann der Antragsgegner auf Gebäudereinigertätigkeiten in Berlin verwiesen werden. Dem steht auch der von ihm im Senatstermin vom 08.03.2018 hervorgehobene Umstand nicht entgegen, er habe im Jahr 2010 gemeinsam mit der Mutter der Antragstellerin entschieden, nicht mehr den weiten Weg nach Berlin zurückzulegen, sondern in Brandenburg zu arbeiten. Denn im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB kann vom Unterhaltspflichtigen, insbesondere wenn der Mindestunterhalt nicht gesichert ist, verlangt werden, längere Fahrtwege in Kauf zu nehmen, als sie vor der Trennung von dem anderen Elternteil des unterhaltsberechtigten Kindes tatsächlich zurückgelegt worden sind.
3.
Bei Zugrundelegung der genannten Bruttostundenlöhne ergeben sich für eine vollschichtige Erwerbstätigkeit von 40 Stunden in der Woche, das sind 173,3 Stunden im Monat, monatliche Bruttoeinkünfte von rund 2.250 € im Jahr 2016, von rund 2.297 € im Jahr 2017 und von rund 2.349 € im Jahr 2018.
Das Nettoeinkommen ist zunächst auf der Grundlage von Lohnsteuerklasse 1 und 1,5 Kinderfreibeträgen zu ermitteln. Zu beachten ist aber, dass der Antragsgegner im Senatstermin vom 08.03.2018 eingeräumt hat, seit Juli 2017 wieder verheiratet zu sein. Mithin ist sein bereinigtes Einkommen von diesem Zeitpunkt an auf der Grundlage der Lohnsteuerklasse 3 zu ermitteln. Denn der Antragsgegner ist unterhaltsrechtlich gehalten, gegenüber seinen minderjährigen Kindern Steuervorteile, die er zumutbar erlangen kann, auch in Anspruch zu nehmen (vgl. BGH, FamRZ 2008, 968 Rn 37). Dies trifft hier auf die Wahl der Lohnsteuerklasse 3 im Hinblick darauf, dass er nach eigenen Angaben im Vergleich zu seiner „leistungsunfähigen“ Ehefrau das deutlich höhere Einkommen erzielt, ohne weiteres zu (vgl. Niepmann/Schwamb, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 12. Aufl., Rn. 923).
Danach errechnen sich bei geänderter Steuerklassenwahl ab Juli 2017 - gerundet - folgende monatliche Nettoeinkünfte:
- 1.530 € in den Monaten September bis Dezember 2016,
- 1.560 € in den Monaten Januar bis Juni 2017,
- 1.765 € in den Monaten Juli bis Dezember 2017,
- 1.805 € ab Januar 2018.
Im Hinblick darauf, dass dem Antragsgegner unterhaltsrechtlich eine Erwerbstätigkeit in Berlin zugemutet werden kann, ist ihm entsprechend dem unbestrittenen Ansatz des Amtsgerichts ein Betrag von 111,67 € für die VBB-Monatskarte gutzubringen.
Nach alledem errechnen sich folgende bereinigte Einkünfte des Antragsgegners:
- 1.418,33 € (= 1.530 € - 111,67 €) in den Monaten September bis Dezember 2016,
- 1.448,33 € (= 1.560 € - 111,67 €) in den Monaten Januar bis Juni 2017,
- 1.653,33 € (= 1.765 € - 111,67 €) in den Monaten Juli bis Dezember 2017,
- 1.693,33 € (= 1.805 € - 111,67 €) ab Januar 2018.
4.
Das soeben ermittelte bereinigte Einkommen ist aber nur in dem Umfang, in dem es den notwendigen Selbstbehalt des Antragsgegners übersteigt, für Unterhaltszwecke einzusetzen. Dabei ist der notwendige Selbstbehalt von 1.080 €, wie er sich nach Nr. 21.2 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 01.01.2016, 01.01.2017 und 01.01.2018, ergibt, im Hinblick auf Synergieeffekte infolge Zusammenlebens mit der Partnerin bzw. nunmehr Ehefrau um 5 % herabzusetzen.
Der Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen kann um die durch eine gemeinsame Haushaltsführung eintretende Ersparnis, höchstens jedoch bis auf sein Existenzminimum nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen herabgesetzt werden. Die Ersparnis kann regelmäßig mit 10 % für jeden volljährigen Partner der Haushaltsgemeinschaft in Ansatz gebracht werden (Nr. 21.5 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburg Oberlandesgerichts, Stand 01.01.2018). Zwar kann eine gemeinsame Haushaltsführung dem Unterhaltspflichtigen nur dann Kosten ersparen, wenn auch der Lebensgefährte über ausreichende Einkünfte verfügt, um sich an den Kosten der Lebensführung zu beteiligen. Zu solchen Einkünften zählen beispielsweise auch solche aus eigenem Sozialhilfebezug (BGH, FamRZ 2008, 594, 598 Rn. 39). Vor diesem Hintergrund kann sich der Antragsgegner nicht pauschal auf fehlende Leistungsfähigkeit seiner Lebensgefährtin bzw. Ehefrau berufen. Da die Lebensgefährtin andererseits nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts nur Elterngeld erhält, überdies die Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus dem Antragsgegner, seiner Lebensgefährtin und drei Kindern ergänzend Leistungen nach SGB II, erscheint es gerechtfertigt, die Haushaltsersparnis nicht mit dem vollen Satz von 10 % in Ansatz zu bringen, sondern lediglich mit einem Anteil von 5 %. Damit ist dem Antragsgegner ein Selbstbehalt von 1.026 € (= 1.080 € × 95 %) zuzubilligen.
Angesichts dessen ergibt sich für den Antragsgegner folgende Verteilungsmasse, das ist der Teil seines bereinigten Einkommens, der für Unterhaltszwecke zur Verfügung steht:
- 392,33 € (= 1.418,33 € - 1.026 €) in den Monaten September bis Dezember 2016,
- 422,33 € (= 1.448,33 € - 1.026 €) den Monaten Januar bis Juni 2017,
- 627,33 € (= 1.653,33 € - 1.026 €) in den Monaten Juli bis Dezember 2017,
- 667,33 € (= 1.693,33 € - 1.026 €) ab Januar 2018.
5.
Die soeben dargestellten Verteilungsmassen stehen aber nicht allein für den Unterhalt der Antragstellerin zur Verfügung. Denn der Antragsgegner ist darüber hinaus grundsätzlich zwei weiteren minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet, nämlich dem nicht in seinem Haushalt lebenden Kind J…, geboren am ….02.2015, und dem in seinem Haushalt lebenden Kind P…, geboren am ….02.2016. In einem solchen Fall, in dem es im gerichtlichen Verfahren nur um die Bemessung des Unterhalts für ein minderjähriges Kind geht, der Unterhaltspflichtige aber zugleich weiteren minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, sind die Unterhaltsansprüche grundsätzlich so zu errechnen, als ob über alle Ansprüche zugleich entschieden würde (Wendl/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 2 Rn. 340 unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 1992, 797). Es ist aber in Betracht zu ziehen, die an dem Unterhaltsverfahren nicht beteiligten minderjährigen Kinder des Unterhaltsschuldners in einer Mangelfallberechnung nur insoweit zu berücksichtigen, als ihnen tatsächlich Unterhalt gezahlt wird oder die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB für eine Geltendmachung höherer rückständiger Unterhaltsbeträge zu ihren Gunsten vorliegen (OLG Rostock, FamRZ 2017, 891). Diese Rechtsfrage ist aber nicht abschließend geklärt (vgl. OLG Brandenburg, 5. Familiensenat, Beschluss vom 30.10.2012 - 3 WF 121/12, BeckRS 2013,14 1971). Vor diesem Hintergrund wäre, soweit es auf die Entscheidung der streitigen Rechtsfrage ankommt, die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zuzulassen. Auf diese Problematik angesprochen, haben die Verfahrensbevollmächtigten der beiden Beteiligten im Senatstermin vom 08.03.2018 aber übereinstimmend erklärt, sie strebten im Hinblick auf die ungeklärte Rechtsfrage nicht an, die Rechtsbeschwerde einzulegen. Vor diesem Hintergrund brauche die Sache nicht vom Einzelrichter auf den Senat übertragen zu werden, der dann im Fall einer streitigen Entscheidung die Rechtsbeschwerde zulassen müsste. Vielmehr stimme man ohne Anerkennung einer Rechtspflicht im vorliegenden Fall darin überein, dass für den Sohn J… des Antragsgegners in die Mangelverteilung als Einsatzbetrag der jeweils von der Unterhaltsvorschusskasse gezahlte Unterhaltsvorschuss einzusetzen sei.
Der Antragsgegner hatte nämlich mit Schriftsatz vom 22.02.2018 ein Schreiben der Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises … vom 12.10.2015 vorgelegt, wonach er in Höhe des für seinen Sohn J… geleisteten Unterhaltsvorschusses in Verzug gesetzt worden ist. Angesichts der Erklärung der Verfahrensbevollmächtigten und unter Berücksichtigung der Höhe des nach dem UVG geleisteten Unterhaltsvorschusses sind daher für den Sohn J… folgende Einsatzbeträge in die Mangelverteilung einzustellen:
- 145 € für die Monate September bis Dezember 2016,
- 150 € für die Monate Januar bis Dezember 2017,
- 154 € ab Januar 2018.
Für die der dritten Altersstufe angehörenden Antragstellerin und den der ersten Altersstufe angehörenden Sohn P… ist als Einsatzbetrag der Mindestunterhalt abzüglich hälftigen Kindergeldes in Ansatz zu bringen (vgl. Nr. 24.2 der Unterhaltsleitlinien). Bei der danach vorzunehmenden Mangelverteilung errechnet sich der gekürzte Unterhaltsanspruch aller gleichrangigen Unterhaltsberechtigten aus dem Quotienten von Verteilungsmasse und Summe der Einsatzbeträge, multipliziert mit dem jeweiligen Einsatzbetrag (Nr. 24.3 der Unterhaltsleitlinien). Danach ergibt sich folgende Berechnung:
September bis Dezember 2016
Einsatzbetrag der Antragstellerin
355 €
Einsatzbetrag für J…
240 €
Einsatzbetrag für P…
145 €
Summe der Einsatzbeträge
740 €
Kürzungsfaktor (Verteilungsmasse: Summe der Einsatzbeträge) 53,02 % (= 392,33 € / 740 €)
Gekürzter Anspruch der Antragstellerin rund 188 € (= 355 € × 53,02 %).
Januar bis Juni 2017
Einsatzbetrag der Antragstellerin
364 €
Einsatzbetrag für J…
246 €
Einsatzbetrag für P…
150 €
Summe der Einsatzbeträge
760 €
Kürzungsfaktor (Verteilungsmasse: Summe der Einsatzbeträge) 55,57 % (= 422,33 € / 760 €)
Gekürzter Anspruch der Antragstellerin rund 202 € (= 364 € × 55,57 %).
Juli bis Dezember 2017
Einsatzbetrag der Antragstellerin
364 €
Einsatzbetrag für J…
246 €
Einsatzbetrag für P…
150 €
Summe der Einsatzbeträge
760 €
Kürzungsfaktor (Verteilungsmasse: Summe der Einsatzbeträge) 82,54 % (= 627,33 € / 760 €)
Gekürzter Anspruch der Antragstellerin rund 300 € (= 364 € × 82,54 %).
ab Januar 2018
Einsatzbetrag der Antragstellerin
370 €
Einsatzbetrag für J…
252 €
Einsatzbetrag für P…
154 €
Summe der Einsatzbeträge
776 €
Kürzungsfaktor (Verteilungsmasse: Summe der Einsatzbeträge) 86,00 % (= 667,33 € / 776 €)
Gekürzter Anspruch der Antragstellerin rund 318 € (= 370 € × 86,00 %).
6.
Zu beachten sind, so wie von der Antragstellerin in ihren Anträgen auch berücksichtigt, die zu ihren Gunsten erbrachten Unterhaltsvorschussleistungen ab Juli 2017. Die Unterhaltsvorschusskasse hat für die Antragstellerin monatlichen Unterhaltsvorschuss von 268 € für die Monate Juli bis Dezember 2017 und von 273 € für die Monate Januar bis März 2018 erbracht. In diesem Umfang ist der Unterhaltsanspruch gemäß § 7 UVG auf das Land Brandenburg übergegangen. Entsprechend dem Antrag der Antragstellerin ist für diese Zeiträume der Unterhalt in Höhe der erbrachten Unterhaltsvorschussleistungen dem Land Brandenburg zuzusprechen (vgl. auch Wendl/Klinkhammer, a.a.O., § 8 Rn. 109 f.).
7.
Entsprechend dem Begehren der Antragstellerin ist der Unterhalt zu dynamisieren. Der Dynamisierung bedarf es aber erst für die Zeit ab Schluss der mündlichen Verhandlung (vgl. Senat, Beschluss vom 17.04.2003 - 10 UF 57/03, BeckRS 2003, 6698; Senat, FamRZ 2007, 71; Schael, FPR 2002, 40, 42 Verfahrenshandbuch Familiensachen/Gutjahr, 2. Aufl., § 1 Rn. 388). Denn die Zahlbeträge bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung stehen fest. Ab April 2018 hat der Antragsgegner für die Antragstellerin Unterhalt i.H.v. 88,9 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes zu leisten. Dieser Prozentsatz errechnet sich, wenn man zu dem Unterhaltsanspruch von rund 318 €, wie er sich für die Antragstellerin ab Januar 2018 ergibt, das hälftige Kindergeld mit 97 € hinzusetzt und die Summe durch den Mindestunterhalt von 467 € dividiert.
Das Amtsgericht hat in seinem Tenor auch auf der Grundlage seiner eigenen Rechtsauffassung einen unzutreffenden Prozentsatz des Mindestunterhalts angegeben. Dies betrifft nicht nur die Rundung auf 2 Stellen hinter dem Komma. Denn gemäß § 1612a Abs. 2 S. 1 BGB ist der Prozentsatz auf eine Dezimalstellen zu begrenzen; jede weitere sich ergebende Dezimalstelle wird nicht berücksichtigt. Vor allem aber hat das Amtsgericht in unzutreffender Weise den Prozentsatz, der sich nach dem von ihm benutzten Berechnungsprogramm als „Deckungsquote“ im Rahmen der Mangelverteilung ergibt, ohne weitere Berechnung als Prozentsatz des Mindestunterhalts herangezogen. Tatsächlich handelt es sich bei der „Deckungsquote“ aber nur um den Kürzungsfaktor, wie er etwa auch den obigen Berechnungen zu entnehmen ist, also um den Anteil, welcher der Antragstellerin an der gesamten Verteilungsmasse im Hinblick auf die Unterhaltsansprüche auch der beiden anderen minderjährigen Kinder zusteht. Dieser Betrag ist nicht etwa identisch mit dem Prozentsatz des Mindestunterhalts. Unter Zugrundelegung der Berechnung des Amtsgerichts auf Seite 6 seiner Entscheidung hätte das Amtsgericht einen Prozentsatz von 54,4 % (= 154,61 € + 96 € Kindergeld) / 460 € Mindestunterhalt) titulieren müssen.
8.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.